Beyond Damsels in Distress: Die Emanzipation der Superheldinnen
Während Superhelden – vor allem als Lead Character – bisher oft männliche Protagonisten porträtieren, hat sich in jüngster Zeit ein bemerkenswerter Wandel vollzogen. Weibliche Charaktere haben zunehmend eine transformative Rolle eingenommen und tragen maßgeblich zur Weiterentwicklung des Genres bei.
Dieser Beitrag ist in Kooperation mit dem Bachelorstudiengang Medienmanagement an der FH St. Pölten im Wahlpflichtmodul „Mediensoziologie, Gender und Diversity“ entstanden.
„The Avengers“, „Captain America“, oder auch „Joker“: Superheldenfilme haben sich zu einem wahren Phänomen entwickelt, das weltweit Millionen von Zuschauer:innen begeistert. Neben den Superhelden und Bösewichten haben sie alle eines gemeinsam: die Helden sind Männer. Frauen bleibt die Rolle der Damsel in Distress, der hilfsbedürftigen Unschuld. Seit Charaktere wie Captain Marvel, Black Widow und Scarlet Witch die Leinwand erobern, wird in den Medien von einer Emanzipation der Superheldinnen gesprochen.
2019: Wie die Tageszeitung „Handelsblatt“ berichtete, gelang endlich einer weiblichen Ikone der Sprung auf die große Leinwand: Captain Marvel. Marvels Antwort auf DCs Mega-Hit „Wonder Woman“ (2017) geriet zum „Kassenmagnet“ und wird in weiterer Folge als „Vorbild“ bezeichnet. Zurecht, der Blockbuster kann als Schritt in die Richtung einer gleichgestellten und respektvollen Darstellung von Frauen in Superheldenfilmen angesehen werden. Schließlich erreichen Superheldenfilme, als bedeutender Teil der Populärkultur, ein Millionenpublikum und können dadurch eine gerechte und vielfältige Darstellung von Geschlechterrollen fördern.
Is it a bird? Is it a plane? No, it’s … A WOMAN?
Von ikonischen Heldinnen bis hin zu multidimensionalen Antagonistinnen- Frauen in Superheldenfilmen haben eine inspirierende Präsenz und Stärke erlangt, die revolutionär ist. Die Beobachtung dieser Entwicklungen von Frauen im Superhelden Genre ist aufgrund ihrer Popularität von Bedeutung für eine vielfältige und inklusive Repräsentation.
In dem Artikel „Du kannst nur werden, was du siehst“, erschienen 2019 in der Wochenzeitung „Zeit“, berichteten befragte Frauen und junge Mädchen, dass es sie begeistere, wenn Frauen in Filmen „unternehmerisch“ und „einflussreich“ dargestellt werden. Demnach werden starke weibliche Figuren in Superheldenfilmen, die „Träume“ und „Ambitionen“ ausleben, durchaus verehrt und können inspirieren.
Starke weibliche Charaktere inspirieren und ermutigen Frauen jeden Alters, ihre eigenen Fähigkeiten anzuerkennen. Auch können sie dazu beitragen, stereotype Rollen zu begraben und die Wahrnehmung von Frauen von sich selbst zu verbessern.
Transformation der Superheldinnen
Seit den Anfängen des Genres sind weibliche Figuren geplagt von eng anliegenden Bodysuit, die ihre Brüste kaum verdecken und unrealistischen Kurven, die durchschnittliche Körperformen schlecht aussehen lassen. In einem Artikel mit dem Titel „Hair ties and no heels“ der Zeitschrift „Entertainment Weekly“ wird nicht nur erläutert, wie Stereotypen in dem Film „Black Widow“ (2021) links liegen gelassen werden, sondern auch wie sehr sich diese verändert haben – und wie gut das ankommt.
Sowohl Fans als auch Schauspielerinnen und Produzentinnen freuen sich über realistischere Darstellungen in einem Genre, das für hautenge, bewegungseinschränkende Leder-Anzüge und alberne Crop-Top-Brustpanzer bekannt ist. Das steht im Gegensatz zu Heldinnen, die in den wenigen Momenten, in denen sie überhaupt zu sehen sind, in engen, freizügigen Klamotten gezeigt werden, die viel mehr zur Sexualisierung der Körper dienen als Komfort und Funktion zu bieten. Es ist also eine sehr willkommene Veränderung die Charaktere als fitte Frauen zu bekleiden.
Raus aus der Supportive Role & weg von imaginären Körperbildern
Die Darstellung von Superheldinnen, sowohl deren Charakter als auch ihr Körper, ist äußerst vielfältig und hat sich im Laufe der Zeit stark weiterentwickelt. Früher wurden weibliche Charaktere oft auf ihr Aussehen und ihre romantischen Beziehungen zum männlichen Helden reduziert. Sie waren entweder „Damsel in Distress“, die gerettet werden mussten, oder wurden schlicht hypersexualisiert dargestellt.
In den letzten 15 Jahren hat sich einiges verändert. So fingen weibliche Charaktere und Superheldinnen an komplexer und vielschichtiger zu werden. Der Fokus liegt nicht mehr rein auf körperlichen Attributen, sie haben Persönlichkeit. Viele Superheldinnen werden als starke, unabhängige und begabte Individuen gezeigt, die über eigene Fähigkeiten und Motivationen verfügen. Sie nehmen aktiv am Kampf gegen das Böse teil und tragen zur Rettung der Welt bei.
Komplexe Frauenfiguren
„Scarlet Witch“ ist eine der Superheldinnen, die gerade dieses Rebranding erfährt. Wie das Filmmagazin „Screenrant“ 2021 berichtet, wurde die Mutantin in den Comics so stark übersexualisiert, dass die Schauspielerin Elisabeth Olsen von den Zuständigen der Marvel Studios ein neues Design des Kostüms verlangte, ehe sie die Rolle annahm.
Weibliche Superheldinnen werden heutzutage als Anführerinnen, Kämpferinnen, Wissenschaftlerinnen und strategische Denkerinnen präsentiert. Außerdem werden ihre individuelle Hintergrundgeschichten und Ziele in den Vordergrund gestellt, die über romantische Interessen am männlichen „Main Character“ hinausgehen. Produzent:innen legen Wert darauf, dass Superheldinnen als eigenständige Charaktere betrachtet werden. Moderne Superheldinnen sind in der Lage ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Weibliche Charaktere sind nicht mehr bloß Nebenfiguren oder Ergänzung der männlichen Superhelden, sie erleben ihre eigenen Geschichten und Abenteuer. Marvel sieht sich hierbei in einer vorbildlichen Rolle, die von der Zeitschrift „Glamour“ 2018 bestätigt wurde, als die Superheldinnen der Produktionsfirma kräftig gelobt wurden:
These women are timeless because they have full agency. They’re complex. They’re strong. They thrive. They’re heroes, enemies, secret agents, and everyday women, but they all lead extraordinary lives.
Glamour, 2018
„Black Widow“: Die Transformation der Superheldin
Schauen wir uns jetzt eine der beliebtesten, anerkanntesten und erfolgreichsten Superheldinnen in der Geschichte von Superheld:innenfilmen an. Die Rede ist von Natalia Alianovna „Natasha“ Romanoff, alias Black Widow, dargestellt von der Schauspielerin Scarlett Johansson.
Johannson bekannt dafür, sich stark für Feminismus und die Gleichstellung von Frauen einzusetzen, ist mitverantwortlich dafür, dass die Entwicklung des Charakters in den Marvel-Filmen als herausragendes Beispiel für Emanzipation im Superheldinnen Genre betrachtet wird. 2021 berichtete etwa das „TIME“ Magazin unter dem Titel „Black Widow began as a sexist stereotype“ u.a. darüber, wie die Schauspielerin die Superheldin von ihrem aufgezwungenen Bild als „Sexsymbol“ befreite: „Nachdem sie in neun vorangegangenen Filmen zahllose Demütigungen erdulden musste – sie wurde als Verführerin, als Objekt der Begierde, als Love Interest, als selbsternanntes „Monster“ aufgrund ihrer Unfruchtbarkeit dargestellt – macht die Schwarze Witwe nun Schlagzeilen mit einem Film, der sich direkt mit den Dingen auseinandersetzt, die sie einst unterdrückt haben: Sexismus, Objektivierung, sogar Menschenhandel.“
Ihr Filmdebüt erlebte „Black Widow“ als Nebenfigur in „Iron Man 2“ (2010). Erst im Laufe der Zeit erlangt sie eine immer größere Bedeutung. Während sie anfangs als geheimnisvolle Spionin dargestellt wurde, wobei im Vordergrund ihre sexuelle Anziehungskraft und ihre Fähigkeiten im Nahkampf, standen wie Johannsson 2021 in einem Gespräch mit dem ORF kritisierte, wurde ihr Charakter im Laufe der MCU-Filme weiterentwickelt.
Superheldin statt sexy Sidekick
In „The Avengers“ (2012) wurde Black Widow bereits als brillante Agentin und furchtlose Kämpferin etabliert. Sie verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten und eine beeindruckende Intelligenz. Dank dieser Entwicklung wird Black Widow zu einer vertrauenswürdigen Verbündeten und wichtigen Teammitglied der Superheldentruppe.
In späteren Filmen durchläuft Black Widow endlich eine tiefgründige Entwicklung. So wird ihr Charakter, der Superheldenlogik folgend, als vielschichtige Persönlichkeit mit Motivationen und Ängsten etabliert. Dazu gehört, dass ihre Hintergrundgeschichte, ihre Ausbildung zur Spionin und die tragischen Momenten in ihrem Leben erzählt werden.
Der 2021 erschienenen „Black Widow“-Film setzt auf die emotionale Reife der Heldin. Aber auch ihre kämpferischen Künste und Fähigkeit, ihre eigenen cleveren Entscheidungen zu treffen und umzusetzen werden hervorgehoben. Black Widow ist kein Sidekick mehr und bestreitet als Protagonistin ihre eigenen Abenteuer und Konflikte.
Emanzipation der Superheldin
Der „Rolling Stone“ lobt das feministische Feuerwerk Marvels ausführlich. Das Magazin schreibt von einem „Neustart“, den Romanoff und Johansson verdient hätten, nachdem sie jahrelang nur auf ihr Aussehen und ihre weiblichen Attribute reduziert worden seien. So würden sie auch immer mehr ihrem Alter Ego – der „Schwarzen Witwe“ gerecht. Der „männerfressenden“ Superheldin, die ihre Gegner eiskalt um die Ecke bringt und „ihnen einfach mal ordentlich eins in die Schnauze haut“.
In ‚Black Widow‘ beweist Scarlett Johansson als Natasha Romanoff, dass hinter ihrer Figur mehr steckt als ein Sexobjekt im engen Lederanzug.
„Elle“, 2021
Johanssons Interpretation hat gezeigt, dass weibliche Superheldinnen die Fähigkeit haben, ihre eigenen Geschichten zu tragen. Sie überwinden Hindernisse und nehmen eine wichtige Rolle im Kampf gegen das Böse ein. Black Widow ist ein wegweisendes Beispiel für die Bemühungen, weibliche Charaktere im Superheldinnen Genre zu stärken. Ihre Entwicklung steht für eine positive Veränderung, die dazu ermutigt, stereotype Geschlechterrollen zu überwinden und Frauen als starke, inspirierende Figuren zu feiern.
Superheldinnen für den Feminismus
Es ist an der Zeit, dass Superheld:innenfilme die feministische Bewegung unterstützen und eine bessere Darstellung von Frauen anbieten. Fans sind offenbar nicht mehr bereit oberflächliche Stereotypen und reduzierte Rollen für Frauen zu akzeptieren. Komplexe Frauenfiguren in Superheld:innenfilmen tragen dazu bei, eine gerechtere Filmlandschaft und damit auch eine gerechtere Repräsentation zu schaffen.
Erzählt Geschichten über das Potenzial und die Fähigkeiten von Superheldeninnen, die junge Mädchen auf der ganzen Welt inspirieren, selbst Anführerinnen und Heldinnen zu sein!
Illustrationen: Fiona Wallatscher
Quellen und relevante Links:
- Handelsblatt: „Captain Marvel“: Eine Superheldin als Vorbild – und Kassenmagnet
- Zeit: Du kannst nur werden, was du siehst
- Entertainment: Hair ties and no heels: The evolution of female superhero costumes is finally here
- Screenrant: The evolution of female superheros in the MCU
- Glamour: Stan Lee Leaves Behind a Legacy of Powerful Female Characters
- TIME: Black Widow Began as a Sexist Stereotype. More Than a Decade Later, Scarlett Johansson Is Reclaiming Her Story
- ORF: Black Widow: Johansson kritisiert „Hypersexulaisierung“
- Rolling Stone: „Black Widow“: Feminismus, Sexismus und Familientragödie – Marvel wird mutig
- Elle: Marvel’s „Black Widow“ zeigt Scarlett Johansson (endlich) als feministische Superheldin
Dieser Beitrag ist in Kooperation mit dem Bachelorstudiengang Medienmanagement an der FH St. Pölten im Wahlpflichtmodul „Mediensoziologie, Gender und Diversity“ (Leitung: Mag. Dr. Gaby Falböck; LV-Mitverantworliche: Mag. Christina Krakovsky) entstanden.
Weiterlesen? Oder Weiterschauen? In Beyond the Male Gaze geht es um Feminismus im Journalismus, im Video Jenseits von Blau und Rosa um Gendermarketing.
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